Die „grenzenlose“ Reisefreiheit innerhalb der Europäischen Union ist eine wichtige Errungenschaft für die Bürger. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, einheitliche Standards für die Rechte der Passagiere in öffentlichen Verkehrsmitteln und bei Reisebuchungen durchzusetzen. Inzwischen regeln Verordnungen und Richtlinien die Passagierrechte beim Reisen mit dem Flugzeug, der Bahn, dem Überlandbus und dem Schiff sowie bei Pauschalreisen. Sollten Flüge überbucht sein oder annulliert werden und der Zug mit mehreren Stunden Verspätung ans Ziel kommen, haben Verbraucherinnen und Verbraucher Rechte.
Bahnreisen
- Ob bei Zugverspätung oder -ausfall (auch durch Streik), im Bahnverkehr gelten einheitliche Fahrgastrechte und daraus resultierende Entschädigungsregeln.
- Bei Zugverspätungen ab 60 Minuten am Reisezielort muss das Bahnunternehmen den Fahrgästen 25 Prozent des Fahrpreises erstatten, bei Verspätungen ab 120 Minuten 50 Prozent des Fahrpreises.
- Ist es absehbar, dass sich die Abfahrt des Zuges um mehr als 60 Minuten verspätet, kann der Fahrgast von der Reise zurücktreten und sich den Fahrpreis komplett erstatten lassen. Ausgezahlt werden nur Beträge ab 4 Euro, es kann eine Barauszahlung verlangt werden.
- Wer nachts (zwischen 24 und 5 Uhr) wegen Verspätung von mindestens 60 Minuten oder Ausfall seines Nahverkehrszuges sein Ziel nicht mehr erreicht, kann andere Verkehrsmittel benutzen. Hierbei werden im Einzelfall, wenn keine anderen Alternativen bestehen, auch Taxikosten bis zu 80 Euro erstattet.
- Bei höherer Gewalt müssen Eisenbahnunternehmen nach dem 7. Juni 2023 keine Entschädigung mehr zahlen, wenn die Verspätung durch höhere Gewalt (z. B. Sturmschäden/Unwetter, Verschulden eines Fahrgasts bzw. Dritter, etwa durch Personen in der Gleisanlage oder Sabotage-Akte) entstanden ist. Zudem muss die Verspätung oder der Zugausfall trotz aller Sorgfalt unvermeidbar sein. So sieht es die Reform der europäischen Fahrgastrechte-Verordnung vor. Generell sollten sich Verbraucherinnen und Verbraucher unmittelbar bei der verspäteten Ankunft am Zielort die tatsächliche Ankunftszeit und die Verspätung von Mitarbeitern des Unternehmens, z. B. von den Zugbegleitern oder zuständigen Mitarbeitern am Bahnhof bestätigen lassen.
- Im Nahverkehr dürfen Bahnreisende einen anderen, auch höherwertigen Zug (z. B. IC statt RE) nutzen, wenn zu erwarten ist, dass der gewählte Zug mehr als 20 Minuten verspätet am Ziel eintrifft. Ausgenommen sind Züge mit besonderer Reservierungspflicht, wie zum Beispiel die ICE Sprinter oder City Night Line-Verbindungen.
- Das Unternehmen muss den Fahrgast bei Unregelmäßigkeiten umfassend informieren.
- Die Internetseite www.fahrgastrechte.info des Tarifverbands der Bundeseigenen und Nichtbundeseigenen Eisenbahnen in Deutschland (TBNE) bietet detaillierte Informationen über die Fahrgastrechte. Dort steht auch ein Fahrgastrechte-Formular für Entschädigungen und Erstattungen als Download zur Verfügung. Informationen zu Fahrgastrechten gibt es auch unter www.bahn.de/fahrgastrechte.
- Weigert sich das Unternehmen, der Beschwerde über die Fahrgastansprüche nachzukommen, kann sich der Verbraucher an die unabhängige Schlichtungsstelle Reise und Verkehr e. V. (vormals: Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP)) in Berlin wenden. Die Schlichtung ist für die Fahrgäste kostenlos. Weitere Informationen sind unter www.schlichtung-reise-und-verkehr.de (bzw. www.soep-online.de) zu finden.
- Die Rechte der Fahrgäste bei Bahnreisen bei schienengebundenem öffentlichem Personenverkehr sind in der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 geregelt.
Flugreisen
Bei Flugreisen kann dem Passagier ein pauschaler Schadensersatzanspruch bei großer Flugverspätung, Annullierung oder Überbuchung des Flugs zustehen. Dabei muss entweder der Abflug- oder der Zielort innerhalb der EU liegen. Je nach Flugdistanz kann dieser Anspruch bis zu 600 Euro betragen.
- Bei der Überbuchung eines Fluges kann der Passagier sich den Flugpreis zurückerstatten lassen. Bei einer Überbuchung der Anschlussverbindung kann der Passagier sich den Flugpreis zurückerstatten lassen, alternativ zu seinem ursprünglichen Abflugort zurückfliegen oder die Reise so bald wie möglich fortsetzen. Für die Verzögerung muss das Unternehmen zumutbare Betreuungsleistungen (Mahlzeiten, Getränke, kostenlose Telefonate, Faxe, E-Mails) bereitstellen und falls notwendig, für eine Hotelunterkunft mit Transfer bis zur Weiterreise sorgen. Darüber hinaus kann eine pauschale Entschädigung von 125 bis 600 Euro, je nach Flugstrecke und Entfernung fällig werden.
- Bei der Annullierung eines Fluges gelten grundsätzlich dieselben Ansprüche wie bei der Überbuchung. Allerdings entfällt die pauschale Entschädigung, wenn die Annullierung rechtzeitig (2 Wochen vor Abflug) mitgeteilt wurde oder wenn sie auf „außergewöhnliche Umstände“, wie z.B. Vulkanaschewolken zurückzuführen ist. Nähere Informationen hierzu, zu weiteren Ansprüchen und zum Vorgehen bei Pauschalreisen bietet das Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland.
- Bei einer Flugverspätung ab drei Stunden wird die pauschale Entschädigung von bis zu 600 Euro, je nach Flugstrecke und Entfernung fällig. Die Betreuungsleistungen stehen den Passagieren ab einer Verspätung von zwei Stunden zur Verfügung. Auch hier gelten Ausnahmen bei „außergewöhnlichen Umständen“.
- Seit November 2013 gibt es auch für Flugpassagiere die Möglichkeit einer kostenlosen außergerichtlichen Streitbeilegung. Für zahlreiche deutsche und ausländische Fluggesellschaften ist ebenfalls die unabhängige Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) zuständig. Für die übrigen Unternehmen ist die Schlichtungsstelle beim Bundesjustizamt zuständig (www.bundesjustizamt.de). Eine wichtige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Schlichtung ist, dass die Verbraucherin oder der Verbraucher ihre bzw. seine Ansprüche zuvor erfolglos gegenüber dem Unternehmen geltend gemacht hat.
- Die Fluggastrechte sind in der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 geregelt.
Das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland in Kehl sowie die zuständige Aufsichtsbehörde über den Luftverkehr, das Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig (www.lba.de), informieren im Detail über die europäischen Fluggastrechte.
Hilfe zur Selbsthilfe bei Problemen mit Flugreisen:
Flugärger-App bei der Verbraucherzentrale
Busreisen
Auch bei Busreisen können Passagiere Ansprüche auf Entschädigung und Hilfeleistung geltend machen, allerdings erst ab einer Fahrtstrecke von mindestens 250 Kilometern.
- Bei Überbuchung, Annullierung oder einer Verspätung von mehr als zwei Stunden gibt es einen Anspruch auf Erstattung des Fahrpreises.
- Die Passagiere haben spätestens 30 Minuten nach der planmäßigen Abfahrtzeit Anspruch auf rasche Information über eine Verspätung oder Annullierung.
- Bei einer Annullierung oder einer Verspätung von mindestens 90 Minuten muss das Unternehmen Betreuungsleistungen (Mahlzeiten, Getränke) bereitstellen und falls notwendig, für eine Hotelunterkunft mit Transfer bis zur Weiterreise sorgen.
- Die Rechte der Fahrgäste bei Busreisen sind in der Verordnung (EU) Nr. 181/2011 geregelt.
Schiffsreise
Liegt der Einschiffungshafen innerhalb der EU, so haben auch Passagiere von Schiffsreisen einen Anspruch auf Entschädigung und Hilfeleistung.
- Bei einer Annullierung der Fahrt oder einer Verspätung der Abfahrt von mehr als 90 Minuten hat der Passagier Anspruch auf Erstattung des Fahrpreises und eine kostenlose Heimreise. Darüber hinaus muss das Unternehmen Betreuungsleistungen (Mahlzeiten, Getränke) bereitstellen und falls notwendig, für eine Hotelunterkunft mit Transfer bis zur Weiterreise sorgen.
- Bei Verspätungen ab 60 Minuten (bei einer planmäßigen Fahrtdauer von vier Stunden) bekommen Fahrgäste eine Entschädigung von 25 Prozent des Fahrpreises. Dieselbe Entschädigung gibt es bei Verspätungen ab 120 Minuten und einer planmäßigen Fahrtdauer von vier bis acht Stunden. Bei einer Fahrtdauer von acht bis vierundzwanzig Stunden muss die Verspätung mindestens drei Stunden, bei einer mehr als vierundzwanzigstündigen Fahrt mindestens sechs Stunden betragen, damit die Entschädigung geltend gemacht werden kann.
- Die Rechte der Passagiere bei Schiffsreisen sind in der Verordnung (EU) Nr. 1177/2010 geregelt.
Tipp
Entscheidend ist im Verspätungsfall, dass Passagiere sich unmittelbar nach Ankunft am Flughafen, Bahnhof, Busbahnhof oder am Schiffsterminal die tatsächliche Ankunftszeit und die Verspätung vom Unternehmen schriftlich bestätigen lassen. Die Deutsche Bahn hält dafür ein Fahrgastrechte-Formular bereit. Passagieren, deren Flug oder Bahnfahrt sich im Rahmen einer sogenannten Pauschalreise verspätet hat, wird empfohlen, zusätzlich den Veranstalter oder den örtlichen Reiseleiter zu kontaktieren.
Kontakt und weitere Informationen
Bei Fragen zu Reisen im europäischen Ausland können sich Verbraucherinnen und Verbraucher an das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland wenden. Im Rahmen eines Netzwerks der Europäischen Verbraucherzentren können dort Beschwerden in allen EU-Sprachen nachverfolgt werden. Ferner sind über das Europäische Verbraucherzentrum umfassende Broschüren über die Rechte als Fahr- oder Fluggast zu beziehen.
Europäisches Verbraucherzentrum Deutschland
c/o Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz e. V.
Bahnhofsplatz 3
77694 Kehl
Tel. 07851 / 99148-0
Fax 07851 / 99148-11
E-Mail: info@cec-zev.eu
www.cec-zev.eu
www.evz.de
Auch die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg berät zu Fragen rund um Reise, Freizeit und Mobilität:
Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e. V.
Paulinenstr. 47
70178 Stuttgart
Tel.: 0711 / 66 91 10
Fax: 0711 66 91 50
E-Mail: info@vz-bw.de
www.vz-bawue.de
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bietet Informationen zum Thema Urlaub und Reise und speziell zu Rechten der Passagiere.
Ist der Reisende in seiner Mobilität eingeschränkt, stehen ihm besondere Rechte zu, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird.
Die Europäische Kommission hat für Reisende mit eingeschränkter Mobilität Erläuterungen im Internet in deutscher Sprache eingestellt.