Der Begriff „Netzneutralität“ beschreibt eine wichtige Grundlage für die Funktion des Internets. Er besagt, dass alle Daten gleichberechtigt durch das weltweite Datennetz transportiert werden sollen. Egal ob Sprach- oder Videotelefonie, Nachrichten, Mess- und Steuerungsdaten oder sonstige Informationen: Alle Daten werden grundsätzlich als sogenannte "Datenpakete" im Internet transportiert. Beim Datenverkehr soll es keine Rolle spielen, wer Absender oder Empfänger ist, welcher Dienst dabei verwendet wird und um was für Daten es sich handelt. Das klingt zunächst abstrakt, wirkt sich aber direkt darauf aus, wie Verbraucherinnen und Verbraucher das Internet nutzen können.
Ob – und wenn ja, wie viel – Netzneutralität notwendig ist, darüber streiten verschiedene Interessenträger heftig. Auf der einen Seite stehen vor allem die Telekommunikationsunternehmen. Sie treten dafür ein, für bestimmte Daten oder Dienste digitale Überholspuren gegen Bezahlung anbieten zu dürfen. Auf der anderen Seite stehen vor allem Verbraucherverbände, Bürgerrechtsorganisationen und Netzaktivisten. Sie wollen, dass der gleichberechtigte Zugang zum Internet erhalten bleibt.
Allerdings lässt sich kaum ein Beteiligter öffentlich gern als „Gegner“ der Netzneutralität bezeichnen. Der Streit um die Netzneutralität macht sich deshalb vor allem daran fest, wie streng sie definiert werden soll, was als Verletzung des Prinzips gilt und wie stark sie reguliert werden soll.
Eine Frage der Regulierung
Das Prinzip der Netzneutralität prägte lange Zeit das Internet, auch wenn es nicht in Gesetzen festgeschrieben war. Die Internetprovider leiteten den Datenverkehr ohne weitere Prüfung weiter – so gut, wie es jeweils möglich war. Dieser Grundsatz wird „Best Effort“-Prinzip genannt („größtmögliche Bemühung“). Erst mit der weiteren technischen Entwicklung entstanden neue Möglichkeiten, Daten beim Transport unterschiedlich zu behandeln.
Netzneutralität hat aber nicht allein eine technische Dimension, sondern vor allem eine wirtschaftliche, rechtliche und politische. In zahlreichen Ländern wird Netzneutralität heute in unterschiedlicher Form reguliert. Das kann durch Branchenvereinbarungen zum Datentransport, durch Richtlinien von Aufsichtsbehörden oder durch Gesetze und Verordnungen geschehen.
Wie sieht es in der Praxis aus?
Netzbetreiber verfügen in der Regel über ein gewisses Maß an Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten über den Datenverkehr. So können sie etwa Lastspitzen und Engpässe erkennen und den Datenverkehr so steuern, dass dennoch alle Daten ans Ziel kommen. Solche Techniken sind unter dem Begriff „Netzwerk-Management“ bekannt. Auch Befürworter der Netzneutralität sind häufig mit einer solchen Steuerung des Datenverkehrs einverstanden, soweit sie beispielsweise auf Überlastungszeiten beschränkt bleibt und solange dabei alle Absender und Empfänger gleich behandelt werden.
Verschiedene Internetdienste stellen außerdem unterschiedliche Anforderungen an die Übertragungsgeschwindigkeit. So wird beispielsweise für internetbasierte Telefonie (Voice over IP, kurz „VoIP“) meist eine gewisse Mindestbandbreite festgelegt. Verzögerungen würden hier stärker ins Gewicht fallen als etwa beim Transport einer E-Mail, bei dem es in der Regel nicht auf Sekundenbruchteile ankommt. Die Daten anderer Anwendungen müssen dann im Zweifel warten.
Argumente für Netzneutralität
Die Befürworter der Netzneutralität heben hervor, dass das Internet auf dem Prinzip aufgebaut ist, dass jeder mit jedem gleichberechtigt kommunizieren kann. Das oben erläuterte Modell des Datenverkehrs nach dem „Best Effort“-Prinzip habe sich bewährt. Erst dadurch seien die Vielfalt des Angebots und die rasante Entwicklungsdynamik in vielen Bereichen des Internets möglich geworden.
Wenn aber Betreiber von Internet-Diensten und Plattformen die Internetprovider für den Datentransport bezahlen müssen, schade das dem Wettbewerb und den Verbrauchern. Tendenzen zur Monopolbildung bei etablierten Anbietern würden somit auf Kosten kleinerer und neuer Anbieter auf dem Markt noch weiter gestärkt. Bleiben solche Absprachen zulässig, setze dies außerdem falsche Anreize beim Ausbau der Breitbandinfrastruktur. Statt in den Ausbau schneller Netze zu investieren, würden Engpässe dauerhaft lukrativ werden.
Argumente gegen Netzneutralität
Vor allem die Telekommunikationsanbieter halten Einschränkungen der Netzneutralität hingegen für notwendig. Sie argumentieren damit, dass immer mehr Daten über das Internet transportiert werden müssen. Angebote wie Streamingdienste und Videoplattformen verursachten einen Großteil des gesamten Datenaufkommens. Sie sollten daher einen Teil der Kosten des Datentransports übernehmen und damit Investitionen in den Ausbau der Breitband-Netze mitfinanzieren. Auch für Steuerungsdaten von Fabriken, aus Transport und Verkehr oder aus der Telemedizin seien besonders schnelle Verbindungen ohne Engpässe wichtig. Unterschiedliche Qualitätsklassen beim Datentransport dienten der Entwicklung neuer Anwendungen und ermöglichten Innovationen.
Wie ist die aktuelle Rechtslage?
Seit dem 30. April 2016 gilt die EU-Verordnung zum Telekommunikations-Binnenmarkt, in der sich erstmals auch europarechtliche Vorgaben zur Netzneutralität finden. Grundsätzlich müssen Telekommunikationsanbieter den Datenverkehr demnach gleich behandeln.
Die Internetprovider dürfen allerdings Datenpakete in Kategorien einteilen, die je nach technischen Anforderungen an die Übertragungsqualität (z. B. VoIP-Telefonie) unterschiedlich behandelt werden dürfen. Die EU-Verordnung schreibt jedoch vor, dass solche Maßnahmen grundsätzlich nur im Rahmen eines angemessenen Netzwerk-Managements zulässig sind. Hierzu müssen sie transparent, nichtdiskriminierend und verhältnismäßig sein. Sie dürfen nicht auf kommerziellen Erwägungen basieren oder zur Überwachung des konkreten Inhalts der Datenpakete eingesetzt werden.
Die EU-Verordnung gilt verbindlich in allen Mitgliedsstaaten, sie enthält jedoch Spielräume für die nationalen Regulierungsbehörden, z. B. bei der Frage, was als Verstoß gegen die Netzneutralität anzusehen ist. Deshalb hat das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (BEREC) die EU-Verordnung durch weitere Vorgaben für die nationalen Regulierungsbehörden in einer Leitlinie konkretisiert.
In Deutschland ist die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen für die Umsetzung, Einhaltung und Überwachung der EU-Verordnung und der Leitlinie zuständig. Bei festgestellten Verstößen ist sie befugt, Zwangs- und Bußgelder von bis zu 500.000 Euro zu verhängen. Die Bundesnetzagentur informiert auf ihrer Homepage über die gesetzlichen Rahmenbedingungen, über aktuelle Entscheidungen zur Regulierung und veröffentlicht regelmäßig Jahresberichte zur Netzneutralität.
Weitere Informationen
Thema Netzneutralität; Informationsplattform der Bundesnetzagentur
Netze, Netzneutralität, Breitbandausbau, freie Netze, Plattformen und Internet Governance; aktuelle Berichte bei Netzpolitik.org
Informationen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur
Netzpolitik und zur
Netzneutralität